Mai 15, 2020

ODER: WARUM ALGORITHMEN EINE GRAFIKERIN NICHT ERSETZEN KÖNNEN

Das Gewerbe ist angemeldet, der Plan für das eigene Unternehmen steht, nächster Schritt: Logo, Website, Visitenkarten. Aber das Geld ist knapp und die ersten Angebote, die man bei Agenturen und GrafikerInnen eingeholten hat, waren höher als gedacht. Da fällt einem die Werbung ein, die man letztes auf Youtube übersprungen hat – und es dauert nicht lange, bis man die dazugehörige Anzeige findet.

Als vermeintlich preiswertere Lösung zu professionellen GrafikerInnen bieten sich Onlinedienste an, die gegen einen vergleichsweise geringen Betrag Zugriff auf eine Sammlung vielfältiger Elemente gewähren, mit denen die NutzerInnen ihre Logos selbst „zusammenstellen“ können. An die Stelle von Beratungs- und Planungsbesprechungen mit einer professionellen Grafikerin, die sich im Vorfeld ein genaues Bild des Unternehmens, seiner InhaberInnen, ihrer Wünsche und Vorstellungen, Zielgruppen, KonkurrentInnen und ästhetischen Präferenzen macht, tritt die spielerische Interaktion mit der künstlichen Intelligenz, bei der sich die NutzerInnen durch Beispiele klicken, die sie als positiv oder negativ bewerten und Auskunft darüber geben, welche Attribute sie mit ihrem Unternehmen verbinden, ehe ihnen von einem Algorithmus eine Vorauswahl präsentiert wird, die sich dann noch ein wenig anpassen lässt.

Die schön gestalteten Beispiele in den allgegenwärtigen Werbeeinschaltungen und die vergleichsweise geringen Kosten können schnell dazu verleiten, dem Versprechen vom professionellen Logo zum kleinen Preis Glauben zu schenken.

DER HAKEN

Bei der anfänglichen Beurteilung von Beispielen, werden die NutzerInnen nicht daran erinnert, dass es bei der Logogestaltung nicht ausschließlich um ihren eigenen Geschmack, sondern auch um die Erwartungen und Sehgewohnheiten der Zielgruppe und die Abgrenzung von möglichen MitbewerberInnen geht.
Auch bei der Zuordnung beschreibender Attribute fehlt die professionelle Beratung. So lassen sich in diesem Schritt mehrere – auch sich gegenseitig widersprechende – Attribute auswählen. Auch wenn man sich darüber freue würde, „alle“ anzusprechen, wird man seine liebe Not haben, sich gleichzeitig als draufgängerisch und verantwortungsbewusst darzustellen. Ein für GrafikerInnen immer wieder notwendiger Schritt im Vorfeld ist es daher, ihre KundInnen davon zu überzeugen, dass sie sich keinen Gefallen damit tun, wenn sie versuchen, die eierlegende Wollmilchsau sein. Der oft komplexe Prozess der Identitätsfindung und die Frage der eigenen Selbstwahrnehmung lässt sich eben nicht durch ein paar spielerische Klicks ersetzen.

Ignoriert man diese Einschränkungen und Probleme, und klickt sich durch die logarithmusgesteuerte Konzeptionsphase, kommt man zum eigentlich gestalterischen Teil. Die Möglichkeiten, Farben, Formen und Text zu kombinieren, mögen zwar vielfältig erscheinen, aber auch hier fehlt die professionelle Beratung. GrafikerInnen können darauf aufmerksam machen, welche Farbkombinationen man besser vermeiden sollte, welche Formen oder Schriften bei vielen potentiellen KundInnen unerwünschte Assoziationen wecken können etc. Hier ist man auf sich gestellt – ohne die Erfahrung, die die oft langjährige eingehende Beschäftigung mit der Materie mit sich bringt.

DAS ERGEBNIS

Am Ende hat man ein Logo, das man zwar verwenden darf, das einem aber nicht „gehört“.
Zwar hat man die Urheberrechte auf das eigene Logo auch dann nicht, wenn es von einer Grafikerin erstellt wurde – wie bei jedem anderen gestalteten Werk auch liegen die Urheberrechte bei der Person, die es gestaltet hat – aber: es ist branchenüblich und daher Usus, dass man die alleinigen Nutzungsrechte übertragen bekommt, sobald man für die in Anspruch genommene Dienstleistung bezahlt. Das bedeutet, dass die für das Logo gestalteten Elemente, so nicht anders vertraglich vereinbart, von niemand anderem genutzt werden dürfen.

Anders hier. Die schön geschwungene Blume, die einem sofort ins Auge gestochen ist, das geometrische Muster, das man nach ewig langem Scrollen gefunden hat, die freundliche Icon-Eule, die so perfekt zu den eigenen Vorstellungen passt … sie alle können auch von unzähligen anderen NutzerInnen für deren Logos ausgewählt werden.
Die zentrale Aufgabe, das eigene Unternehmen auf individuelle und unverwechselbare Weise grafisch zu repräsentieren, kann von einem solchen Logo nicht erfüllt werden.
ProduzentInnen, die ihre Waren verkaufen wollen, stellt dieses Geschäftsmodell noch vor ein zusätzliches Problem. Logos mit derart eingeschränkten Nutzungsrechten, lassen sich nicht als Marke eintragen.
Und Dienstleister? Wer privat oder geschäftlich mit jemandem aneinander gerät, der bereit ist, ein bissen Zeit und Geld zu investieren, um Schaden anzurichten oder KonkurrentInnen hat, die einem das Geschäft madig machen oder mit moralisch fragwürdigen Methoden KundInnen abwerben wollen, hat keine rechtliche Handhabe, wenn diese Personen das eigene Logo mit ein paar Klicks nachbauen und damit ihr Unwesen treiben.

FAZIT

Auch wenn das Angebot, schnell, unkompliziert und mit geringem finanziellen Aufwand zum einem Logo zu kommen, verlockend klingt, zeigt es bei näherer Betrachtung, dass billig und preiswert nicht dasselbe sind und da, wo professionell draufsteht, nicht immer professionell drinnen ist.

Die Arbeit einer Grafikerin kostet zwar mehr, entsprechend umfangreicher und professioneller sind aber auch die Ergebnisse.
Am besten gleich eine Anfrage schicken und ein maßgeschneidertes Angebot einholen.